Medienkompetenz zu hause – Was verändert sich während der Corona-Krise?

Vogelperspektive auf einen Tisch, geöffneter Laptops

Ein Gastbeitrag von Francine Meyer (TU Braunschweig)

Corona und digitale Medien – dies scheint in der momentanen Situation einfach zusammenzugehören. Die Nutzung von digitalen Medien bringt einige Vorteile mit, birgt aber auch Gefahren, die es aufzudecken gilt.

Digitalisierung allgemein ist ein Thema, welches seit einiger Zeit in unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen und bildungsbezogenen Diskussionen vermehrt vorkommt. In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder von der Forderung zur Medienkompetenzförderung gesprochen. Auch im wissenschaftlichen Diskurs ist dies ein Untersuchungsgegenstand, den es aus unterschiedlichen Sichtweisen zu beleuchten lohnt. Vor allem in der derzeitigen Lage bekommt Medienkompetenz noch mehr Relevanz.

Auf den ersten Blick scheint es verwunderlich, warum über solche Themen über so langen Zeitraum debattiert wird. Gedanken wie zum Beispiel: „Jede*r weiß doch, was damit gemeint ist oder?“ kommen rasch auf, wenn in Nachschlagewerken, wie dem Duden, die Erklärung lautet: Medienkompetenz ist die Fähigkeit einer Person, Medien sinnvoll zu nutzen“. Reicht es also aus, wenn ich weiß, wie ich eine E-Mail verschicke oder wie ich Online-Nachrichten lese? Oder bezieht sich das sinnvolle Nutzen auf die bedürfnisbefriedigende Wahl zwischen Netflix und Amazon Prime, um für das Unterhaltungsprogramm am Abend zu sorgen? Sind Medien sinnvoll genutzt, wenn ich zum einen YouTube-Videos für das Lösen von Mathematikaufgaben zur Hilfe nehme und gleichzeitig Katzenvideos anschaue? Wer beurteilt diesen sinnvollen Einsatz der Medien?

„Der Begriff der Medienkompetenz ist in gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen äußerst beliebt, wird aber sehr diffus verwendet“ (Jarren & Wassmer, 2009, S. 46).

Es fällt dabei auf, dass die Verwendung des Begriffs Medienkompetenz unterschiedliche Vorstellungen hervorruft und somit unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten bietet. Durch den stetigen Wandel der Kommunikations- und Informationstechnologien können sich die Dimensionen der Medienkompetenz zusätzlich wandeln. So wurde beispielsweise vor 2013 das Verfassen einer SMS als medienkompetent bezeichnet. Heute dreht es sich mehr um das Produzieren oder das Erstellen eines Videos mit dem eigenen Endgerät. Dieser Wandel lässt den Inhalt von Medienkompetenz noch weniger greifbar erscheinen. Dies führt dazu, dass auch die Betrachtung von Medienkompetenz während der Corona-Pandemie zu unterschiedlichen Aspekten führt, die alle mit dem Umgang digitaler Medien in Verbindung gebracht werden können und gleichzeitig unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema ermöglichen.

Nehmen wir das in Deutschland bekannteste Medienkompetenzmodell von Baacke (1996) zur Hilfe, so wird Medienkompetenz unterteilt in die vier Dimensionen Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung.

Grafik 1: Medienkompetenzmodell nach Baacke

(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: https://www.cssa-wiesbaden.de/innovative-praxis-2017/medienkompetenz-die-neue-schluesselqualifikation/).

Gerade in der momentanen Situation ist – in Hinblick auf die Medienkritik – das Bewerten und Systematisieren von Quellen bedeutend. Das Erkennen von Fake News spielt bei der Minimierung von Unsicherheiten eine große Rolle.

Grafik 2: Beispiel für das Aufkommen von Fake News während der Corona-Pandemie

Wie in einem der verschiedenen Screencast der Abteilung Kommunikations- und Medienwissenschaften (TU Braunschweig) verdeutlicht wird, gibt es einige Aspekte, die auf Fake News hinweisen, wie zum Beispiel der Abgleich des Inhalts mit anderen vertrauenswürdigen Quellen.

Bei der Betrachtung der Medienkunde ist nicht nur das Bedienen der Endgeräte, sondern auch das Nutzen dieser entsprechend des eigenen Ziels relevant. Welches Medium benötige ich, damit mein Vorhaben realisierbar wird? Dies führt zu der dritten Dimension und somit zur Mediennutzung: In der Situation, in der soziale Kontakte begrenzt möglich sind, können digitale Medien beispielsweise substituierende Möglichkeiten bieten. Laut einer Auswertung von Statista ist zum Beispiel die Dauer der Messaging-Dienste von März auf April 2020 um acht Prozent gestiegen.

Grafik 3: Welche der folgenden Aktivitäten haben Sie aufgrund des Coronavirus zu Hause durchgeführt?

Digitale Medien werden allerdings auch für weitere Zwecke verwendet: Wie in einem anderen Screencast zur Medienkompetenz thematisiert, können sie bei der Informationsrecherche oder für Unterhaltungszwecke eingesetzt werden. Zugleich machen sie für viele den Berufsalltag im Homeoffice oder allgemein das Homelearning möglich. Durch die Gegebenheit, dass zu Hause gelernt und gearbeitet wird, verschwimmt die Grenzen zwischen der Schul- bzw. Arbeitswelt und dem Arbeitsleben. Daher ist es besonders wichtig, sich eigene Strukturen zu schaffen und individuelle Grenzen zu setzen.

Grafik 4: Strukturen im Homeoffice

Die letzte Dimension bezieht sich auf die Mediengestaltung. Vor allem Lehrkräfte sind momentan gefordert, Lerninhalte digital zur Verfügung zu stellen. Dies bringt verschiedene Herausforderungen mit sich, die es zu bewältigen gilt. Vor allem durch den zeitlich ausgedehnten besonderen Umstand bleibt das Reflektieren der eigenen Arbeits- und Lernweisen von zu Hause aus.

Dadurch, dass die Situation bereits seit mehreren Wochen anhält, lassen sich schon einige Routinen erkennen. So ist es nicht mehr ganz ungewohnt, die Schüler*innen in einer Videokonferenz zu begrüßen und Aufgaben kollaborativ mithilfe von digitalen Tools zu bearbeiten. Dabei ist es wichtig, sich durch die neuen Herausforderungen nicht verunsichern zu lassen, sondern vielmehr die Chance zu ergreifen, gemeinsam neue Arbeitsformen auszuprobieren und sich gegenseitig zu helfen. So können beispielsweise Schüler*innen ihre Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien in den Schulalltag einbringen, die für die Zusammenarbeit nützlich sind – ganz nach dem Motto:Zusammen lernen trotz Corona“ können intrinsische Motivation, Eigenständigkeit und Selbstständigkeit der Schüler*innen gefördert werden. Dabei kann die traditionelle Lehr-Lern-Situation aufgebrochen werden, wodurch alternative Formen des Lernens möglich werden.

 

Foto von Marvin Meyer auf Unsplash